1) Herr Kaplan Sieberer, Sie beschäftigen sich intensiv mit dem Thema Exorzismus.

Wieso ist es für Sie von solch großer Bedeutung?

  

Papst Johannes Paul II. hat bei der Generalaudienz zu Pfingsten 1998 daran erinnert, das die Bibel darüber berichtet, wie Jesus Dämonen austrieb.

„Eine der typischen Tätigkeiten Jesu war die des Exorzisten“, betonte er.

Gebete um Heilung und Befreiung gehören somit zum Aufgabenbereich JEDES Priesters.

 

 

 

 
2) Der bekannteste Exorzismusfall Deutschlands von Anneliese Michel, der aktuell zweimal verfilmt wurde, ging mit dem Tode der jungen Studentin aus.

Glauben Sie, dass die Exorzismen dazu geführt haben oder spielten andere Faktoren die wesentlichere Rolle?

 

 

Es bleibt bei den meisten Berichten über den Tod von Anneliese Michel folgender Eindruck zurück:

„Hätten die Priester nicht den Exorzismus gebetet, sondern ihr mit medizinischen Mitteln geholfen, wäre die arme junge Frau nicht gestorben. Die religiös fanatischen Eltern und die völlig verantwortungslosen, stockkonservativen Geistlichen haben ihren Tod zu verantworten….“

 

Ich bin überzeugt, dass dies falsch ist, weil:

1. Alle medizinischen Behandlungsmöglichkeiten schon über Jahre hinaus eingesetzt wurden.

2. Selbstverständlich alle denkbaren natürlichen Methoden von den besorgten Eltern angewandt wurden, insbesondere der Versuch, die abgemagerte junge Frau mit Nahrung zu versorgen.

3. Was hätten sie sonst noch tun können bzw. tun müssen?

Anneliese Michel war die allermeiste Zeit ihrer Leidensgeschichte bei klarem Verstand, wie weit ein okkult belasteter Mensch die kurze Zeit der Anfälle selbst mitbekommt, ist verschieden. Die junge Frau konnte ja sogar ihr Studium der Pädagogik immer wieder aufnehmen und Prüfungen ablegen.
Ein Mensch in ihrem geistig intakten Zustand könnte auch heute nicht zu irgend einer medizinischen Versorgung gezwungen werden. Selbst ein Sterbenskranker hat das Recht, definitiv zu fordern, das Krankenhaus zu verlassen, ohne dass ein Arzt dies verhindern könnte.
Ähnlich war es in Anneliese' s Fall. Erfahrungen mit verschiedensten Krankenhäusern hatte sie ja schon jahrelang gesammelt und war schließlich zu der Überzeugung gelangt, dass ihr auf diese Weise nicht geholfen werden könne. So nahm sie weiterhin die schweren Medikamente, aber lehnte eine Einweisung in eine Anstalt konsequent ab. Was sie dort erwartet hätte, hat der psychiatrische Gutachter beim Prozess ja beschrieben: Elektroschocks, Ruhigstellung und Zwangsernährung.

Ich weiß nicht, wie viele Menschen jährlich in Anstalten bei einer solchen Behandlung sterben, aber es werden wohl einige sein. Daher kann ich dem oft gehörten Argument, dass auf diese Weise alles besser gegangen wäre, nicht zustimmen. Insbesondere die vom gerichtlichen Gutachter erwogene Zwangsernährung ist mit enormen Risiko verbunden, wie der damals sehr aktuelle Fall des 1974 in Folge einer solchen „Behandlung“ verstorbenen RAF Terroristen Holger Meins eindrücklich beweist.

 

Beim Fall Klingenberg geht es im Grunde um viel tiefer liegende (Glaubens-) Fragen, die dann die weitere Beurteilung der Ereignisse vorwegnehmen:

Gibt es eine übersinnliche Welt? Gibt es übersinnliche Wesen? Haben diese Wesen Einfluss auf den Menschen? Kann man den Betroffenen auf übernatürliche Weise helfen?...

Bejaht man diese Fragen, dann ist das Schicksal von Anneliese Michel verständlich und die vom staatlichen Gericht erhobenen Vorwürfe gegenüber ihren engsten Vertrauenspersonen unhaltbar.

 Verneint man diese Fragen, steht man erstens im Gegensatz zum christlichen Glauben und wird zweitens nicht umhin kommen, Anneliese Michel als geisteskrank und ihre Helfer als religiöse Fanatiker zu betrachten.

 

Der Richter am Amtsgericht Rheda-Wiedenbrück, Dr. Harald Grochtmann, betonte in diesem Zusammenhang, dass die Amtskollegen im Fall Klingenberg in unzulässiger Weise Glaubensfragen beurteilten und stellte die konkreten Konsequenzen für das Gerichtsverfahren präzise dar. Gerade der Aspekt, dass ein staatliches Gericht die Glaubenslehre der katholischen, orthodoxen und evangelischen Kirche massiv in Frage stellte, verlieh diesem Gerichtsfall weitere, bis heute andauernde Brisanz. Er schreibt: "Auch Fischer-Schiedermaier, die im übrigen das Urteil begrüßen, meinen diesbezüglich: 'Freilich nicht nur Theologen, sondern nachdenkliche Christen überhaupt würden sich indessen wundern über so manche weltanschauliche Behauptungen und Belehrungen, welche die Aschaffenburger Richter in ihre Urteilsbegründung meinten einfließen lassen zu müssen.' Sie beziehen sich dann nicht nur auf die Behandlung der Fragen Teufel-Besessenheit, sondern auch auf den oben zitierten Satz im Urteil, wonach das Vertrauen auf eine von außen kommende Wende Ausdruck eines jeglichem Realitätssinn zuwiderlaufenden "Wunderglaubens" gewesen sei (S.55 des Urteils). Tatsächlich ist es unfasslich, wie das Urteil eine mögliche verminderte Schuldfähigkeit aller vier Angeklagten gemäß § 21 StGB darin sehen will, dass sie "unumstößlich an die personale Existenz des Teufels glaubten"(S.44 des Urteils). Die personale Existenz des Teufels ist nicht nur eindeutige Lehre der katholischen Kirche, sondern auch grundsätzlich der orthodoxen und protestantischen Kirchen, wenn es dort auch kein Lehramt mit den gleichen Funktionen wie in Rom gibt. Man kann schlecht allen Christen, die der Glaubenslehre ihrer jeweiligen Kirche ganz folgen, unterstellen, dass sie deswegen möglicherweise vermindert schuldfähig sind."

 

Grundsätzlich hat es mich als fertig ausgebildeten Juristen immer schon verwundert, dass ein Landesgericht hier gerne als allwissende Instanz gesehen wird, die ein für alle mal den verderblichen Aberglauben vernichtet hat, wo doch in vielen anderen Fällen konkrete Urteile äußerst kritisch bewertet und insbesondere auch möglichst rasch vor höheren Gerichten angefochten werden.

 

 

In ihrem berühmten Buch „Anneliese Michel und ihre Dämonen“ hat die Universitätsprofessorin Felicitas Goodman den „Fall Klingenberg“ in einzigartig präziser Weise recherchiert.

Ihre meines Wissens nach nie widerlegte These zum Tod von Anneliese Michel lautet:

 Von Anfang an hätten die neurochemisch wirkenden Mittel den Exorzismus behindert und letztlich dazu geführt, dass die Dämonen nur wenige Augenblicke nach der Austreibung zurückgekommen seien. Von diesem Augenblick an hätten die Medikamente bestimmend gewirkt. Die zuvor namentlich bekannten Dämonen seien immer weniger zu Wort gekommen und nach dem 29. Februar 1976 ganz verstummt. Nachdem ihr das Schlucken unmöglich geworden war, konnte Anneliese schließlich auch das Medikament Tegretal (Carbamazepin) nicht mehr einnehmen. Nun stellten sich nach Frau Goodmans These die Entzugserscheinungen des Medikaments ein, die sich in auffälliger Weise mit den Symptomen Annelieses deckten. Schließlich sei Anneliese an der durch Tegretal verursachten Schädigung der roten Blutkörper gestorben.

Egal wie man zu den Aussagen von Prof. Goodman stehen mag, eines ist unbestritten: Sie hat diesen Fall am genauesten recherchiert. Dazu nahm sie Kontakt mit allen Beteiligten auf. Von der Rechtsanwältin Marianne Thora bekam sie das umfangreiche Prozessmaterial vollständig zugestellt. Pater Arnold Renz steuerte ein lückenloses Informationsmaterial von 51 Tonbandkassetten, die auf Wunsch und Wissen der Betroffenen während der Gebete gemacht wurden, bei. Außerdem bekam Prof. Goodman von Pfarrer Ernst Alt den gesamten Briefverkehr zwischen ihm und Anneliese Michel und zwischen ihm und Bischof Stangl. Vom Freund von Anneliese Michel, Peter und von ihrer Schwester Roswitha erhielt sie persönliche Berichte. Sie besuchte die Eltern und die Priester und war an allen Orten der Ereignisse.

 

 

 

 


3) Das Gericht verurteilte die Eltern von Anneliese Michel sowie die beiden Priester wegen unterlassener Hilfeleistung zu sechs Monaten Freiheitsstrafe auf Bewährung. Ist ihnen tatsächlich eine Teilschuld am Tod der jungen Frau zuzuschreiben oder haben sie sich korrekt verhalten?

 

Die Eltern haben jahrelang mit größtem Einsatz um die Gesundheit ihrer geliebten Tochter gekämpft und alle ärztlichen Möglichkeit voll ausgeschöpft. Anneliese Michel war auch eine „brave Patientin“, die ihre Medikamente gewissenhaft einnahm. Erst als trotz der fast sechs Jahre langen Behandlung durch sieben verschiedene Ärzte ihr Gesundheitszustand unaufhaltsam schlechter wurde, wandten sie sich als letztem Ausweg an die Priester und den Bischof. 

Der damalige Antrag der Staatsanwaltschaft lautete: Die Priester sollten eine Geldstrafe erhalten, für die Eltern wurde kein Strafmaß gefordert, da sie am Verlust der Tochter schon schwer genug zu tragen hätten.

 Richter Elmar Bohlender folgte diesem Antrag zur Verwunderung vieler Prozessbeobachter nicht, sondern verurteilte sowohl die Eltern als auch Pater Renz und Pfarrer Alt am 21. April 1978 wegen „fahrlässiger Tötung durch Unterlassung“ zu je sechsmonatigen Haftstrafen, die auf drei Jahre zur Bewährung ausgesetzt wurden.

 

 

 

 

 

4) Ärzte diagnostizierten bei Anneliese Michel Krankheiten wie Epilepsie, Bulimie und Schizophrenie.

Hatte sie Ihrer Meinung nach tatsächlich diese Krankheiten oder waren es lediglich falsch erkannte Symptome einer Besessenheit? 

 

Während Anneliese noch lebte, waren die meisten der ihr nahe stehenden Personen von einer dämonischen Besessenheit überzeugt. 

Zu diesem Kreis gehören insbesondere ihre Mutter, Pfarrer Alt und Thea Hein, eine gute Freundin der Familie. Auch Pater Renz und Annelieses Vater waren nach allem, was bekannt geworden ist, bis zu ihrem Tod von der Besessenheit überzeugt. Von besonderer Bedeutung in diesem Fall war das Urteil von Pater Adolf Rodewyk SJ, dem Verfasser zweier Standardwerke im theologischen Fach Dämonologie, der durch sein Gutachten wesentlich zur Durchführung des Exorzismus beigetragen hatte und auch vor Gericht diese These vertrat. Am Ende der ersten Verhandlungswoche des Prozesses sagte der als Zeuge geladene Pater Rodewyk, es sei unmöglich, dass jemand am Exorzismus sterbe. Er selbst sei ohne jede Einschränkung von der Besessenheit Anneliese Michels überzeugt. Pater Rodewyk verfügte über große Erfahrung in diesem Bereich, da er selbst häufig den Großen Exorzismus gebetet hatte und auf dem Gebiet der Dämonologie theologischer Berater der Deutschen Bischofskonferenz war.

 

 

 

 

 

5) Der Exorzismus-Chef Gabriele Amorth aus Rom sagt, dass sich weitaus mehr Menschen für besessen halten, als es tatsächlich sind. Wie kann man diesen Menschen helfen?

 

Nahezu alle diese Menschen sind schon längst in ärztlicher Behandlung.

 

 

 

 

 

6) Ist es möglich, dass Exorzismen an Menschen vollbracht werden, ohne dass eine Besessenheit vorliegt? Könnte dies negative Auswirkungen auf sie zur Folge haben?

 

Natürlich ist das möglich, weil ja der Exorzismus oft auch als Hilfe zur Unterscheidung gebetet wird.

Die Exorzisten, die ich kenne, beten auf so behutsame Weise, das negative Auswirkungen auszuschließen sind. Fast alle Betroffenen verstehen ja nicht einmal den Text der lateinisch gesprochenen Gebete.

 

 

 

 

 

7) Das Rituale Romanum, welches die Richtlinien eines Exorzismus vorgibt und nach welchem auch die Exorzismen von Anneliese Michel vollzogen wurden, stammt von 1614.

Sind diese Richtlinien somit nicht veraltet?

 

Es geht hier um geistliche Realitäten, die immer gleich bleiben.

Der Große Exorzismus ist eine Sammlung von Gebeten, die sich seit Jahrhunderten bewährt haben.

Tausenden Menschen wurde durch den Dienst der Befreiung und Heilung in der katholischen Kirche schon geholfen.

 

 

 

 

 

8) Wie können Sie sich erklären, dass trotz der modernen Zeit, in welcher wir leben, eine große Nachfrage nach Exorzisten besteht?

 

Wie können Sie sich erklären, dass trotz der modernen Zeit, in der wir leben, eine große Nachfrage nach Esoterik, Okkultismus, Hexerei, Magie, Satanismus etc. besteht?

Es gibt eben mehr zwischen Himmel und Erde als wir normalerweise wahrnehmen. Da Jesus der Chef im Äther ist, bleibt seine Hilfe in den Bedrängnissen des Bösen durch alle Zeiten aktuell.

 

 

 

 

 

9) Es sind fast immer mehrere Exorzismen notwenig, um einen Besessenen zu befreien.

Stellen der Teufel und Dämonen einen solch starken Gegner für den allmächtigen Gott dar, dass dies nötig ist?

 

Der allmächtige Gott könnte in einer Milliardstelsekunde die ganze Schöpfung wieder ins Nichts auflösen.

Aber er nimmt unsere Handlungen sehr ernst und respektiert unsere Entscheidungen.

Dies ist im Grunde ein großes Geheimnis, das auch im Zusammenhang mit Buße und Sühne steht. In manchen Fällen wirken die Dinge verständlich: Wenn jemand jahrelang in bewusst gewählter, enger Beziehung mit dem Bösen gelebt hat, ist die daraus entstandene Bindung in den meisten Fällen auch erst über einen längeren Zeitraum hinweg zu lösen. Gerade die besonders erfahrenen Exorzisten wissen von Fällen zu berichten, in denen eine Befreiung bei wöchentlichen Gebeten bis zu zwei Jahre dauern kann. Würde man für diese schwer belasteten Menschen nicht beten, hätten sie kaum eine Chance, zu überleben.

 

 

 

 

 

10) Wie kann man sich ihrer Meinung nach vor dem Bösen schützen?

 

Gott lieben, die Menschen lieben, sich selbst lieben.

Indem wir im Stand der Gnade bleiben. „Die Beichte ist der beste Exorzismus“, sagt dazu Pater Amorth immer wieder. Der Teufel ist nur ein weiterer, nebensächlicher Grund, heilig zu leben. Ich persönlich bevorzuge den Lobpreis Gottes, das frohe Singen und Beten, insbesondere vor dem Allerheiligsten Sakrament, in dem Jesus uns auf einzigartige Weise nahe ist. Das Licht vertreibt die Finsternis ganz von allein.

Was ich mir wünsche: Insbesondere im deutschsprachigen Raum werden Christen gesucht, die als Priester oder Laien im Befreiungsdienst mitarbeiten können. Sollte jemand den Ruf dazu im Herzen spüren und auch die Erlaubnis des geistlichen Begleiters haben, bitte ich um eine Nachricht an: christian.sieberer@gmx.at

 

 

 

 

 

11) Sie waren schon bei mehreren Exorzismen anwesend. (Haben Sie selbst auch Exorzismen vollzogen?) Was wirkte auf sie dabei besonders beeindruckend?

 

Ich war mehrere Male als Helfer beim Gebet des Großen Exorzismus durch den in unserer Diözese (Bistum) beauftragten Priester dabei.

 

In besonderer Erinnerung ist mir dabei Folgendes geblieben:

 

1. Die vier typischen Merkmale einer schweren okkulten Belastung selbst zu erleben: Übernatürliche Kräfte, übernatürliches Wissen, extreme Abneigung gegen alles Religiöse, Reden in fremden Sprachen.

2. Die wohl sehr kurios klingende Erfahrung, dass die bösen Geister sehr katholisch sind, da sie Weihwasser, Stola des Priesters, Gebete, Sakramente und alles Heilige auf ihre Weise äußerst ernst nehmen.

3. Der mit Abstand wichtigste Eindruck war jedes Mal: Jesus Christus ist der Sieger. Er lebt und befreit auch heute die Menschen aus der Gewalt des Bösen.

 

 

 

 

 

 

 

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