Kommentar zum "Fall Klingenberg", Anneliese Michel

von Pfarrer Christian Sieberer

 

Das Schicksal von Anneliese Michel (1952-1976) aus Klingenberg in Deutschland prägt noch heute sehr stark die Diskussion über das Thema "Exorzismus in der katholischen Kirche." Am 1. Juli 1976 starb in Klingenberg am Main die Pädagogikstudentin Anneliese Michel. Es wurde öffentlich bekannt, dass vor ihrem Tod, im Auftrag des Bischofs von Würzburg Dr. Josef Stangl vom 16.9.1975, durch den Salvatorianerpater Arnold Renz, unterstützt durch Pfarrer Ernst Alt, während eines längeren Zeitraumes der Exorzismus der katholischen Kirche nach dem Rituale Romanum für sie gebetet wurde.

Vor dem Landgericht in Aschaffenburg wurden die Eltern Anneliese Michels und die beiden Priester angeklagt, den Tod von Anneliese Michel verursacht zu haben. Der Antrag der Staatsanwaltschaft lautete: Die Priester sollten eine Geldstrafe erhalten, für die Eltern wurde kein Strafmaß gefordert, da sie am Verlust der Tochter schon schwer genug zu tragen hätten. Richter Elmar Bohlender folgte diesem Antrag zur Verwunderung vieler Prozessbeobachter nicht, sondern verurteilte sowohl die Eltern als auch Pater Renz und Pfarrer Alt am 21. April 1978 wegen „fahrlässiger Tötung durch Unterlassung“ zu je sechsmonatigen Haftstrafen, die auf drei Jahre zur Bewährung ausgesetzt wurden.

Anneliese Michel war wegen der von ihr und ihrer Familie zunächst nicht als dämonischen Ursprungs interpretierten Phänomene seit 1969 von sieben Ärzten verschiedener Fachrichtungen untersucht bzw. behandelt worden. Nach diesen jahrelangen, vergeblichen Versuchen weigerte sich Anneliese Michel, die mit 23 Jahren volljährig war, eine Zwangsbehandlung in einer Heil -und Pflegeanstalt zu akzeptieren, die nach Aussage des gerichtlich bestellten Gutachters in medikamentöser Ruhigstellung, Zwangsernährung und Elektroschocks bestanden hätte.

 

Die Ausgangslage

 

Es bleibt bei den meisten Berichten über den Tod von Anneliese Michel folgender Eindruck zurück:

„Hätten die Priester nicht den Exorzismus gebetet, sondern ihr mit medizinischen Mitteln geholfen, wäre die arme junge Frau nicht gestorben. Die religiös fanatischen Eltern und die völlig verantwortungslosen, stockkonservativen Geistlichen haben ihren Tod zu verantworten….“

 

Hätten die Priester nicht den Exorzismus gebetet, sondern ihr mit medizinischen Mitteln geholfen, wäre sie heute noch am Leben.

Ich bin überzeugt, dass dies falsch ist, weil:

1. Alle medizinischen Behandlungsmöglichkeiten schon über Jahre hinaus eingesetzt wurden.

2. Selbstverständlich alle denkbaren natürlichen Methoden von den besorgten Eltern angewandt wurden, insbesondere der Versuch, die abgemagerte junge Frau mit Nahrung zu versorgen.

3. Was hätten sie sonst noch tun können bzw. tun müssen?

Anneliese Michel war die allermeiste Zeit ihrer Leidensgeschichte bei klarem Verstand, wie weit ein okkult belasteter Mensch die kurze Zeit der Anfälle selbst mitbekommt, ist verschieden. Die junge Frau konnte ja sogar ihr Studium der Pädagogik immer wieder aufnehmen und Prüfungen ablegen.
Ein Mensch in ihrem geistig intakten Zustand könnte auch heute nicht zu irgend einer medizinischen Versorgung gezwungen werden. Selbst ein Sterbenskranker hat das Recht, definitiv zu fordern, das Krankenhaus zu verlassen, ohne dass ein Arzt dies verhindern könnte.
Ähnlich war es in Anneliese' s Fall. Erfahrungen mit verschiedensten Krankenhäusern hatte sie ja schon jahrelang gesammelt und war schließlich zu der Überzeugung gelangt, dass ihr auf diese Weise nicht geholfen werden könne. So nahm sie weiterhin die schweren Medikamente, aber lehnte eine Einweisung in eine Anstalt konsequent ab. Was sie dort erwartet hätte, hat der psychiatrische Gutachter beim Prozess ja beschrieben: Elektroschocks, Ruhigstellung und Zwangsernährung.

Ich weiß nicht, wie viele Menschen jährlich in Anstalten bei einer solchen Behandlung sterben, aber es werden wohl einige sein. Daher kann ich dem oft gehörten Argument, dass auf diese Weise alles besser gegangen wäre, nicht zustimmen. Insbesondere die vom gerichtlichen Gutachter erwogene Zwangsernährung ist mit enormen Risiko verbunden, wie der damals sehr aktuelle Fall des 1974 in Folge einer solchen „Behandlung“ verstorbenen RAF Terroristen Holger Meins eindrücklich beweist.

 

Beim Fall Klingenberg geht es im Grunde um viel tiefer liegende (Glaubens-) Fragen, die dann die weitere Beurteilung der Ereignisse vorwegnehmen:

Gibt es eine übersinnliche Welt? Gibt es übersinnliche Wesen? Haben diese Wesen Einfluss auf den Menschen? Kann man den Betroffenen auf übernatürliche Weise (Gebet,...) helfen?...

Bejaht man diese Fragen, dann ist das Schicksal von Anneliese Michel verständlich und die vom staatlichen Gericht erhobenen Vorwürfe gegenüber ihren engsten Vertrauenspersonen unhaltbar.

Verneint man diese Fragen, steht man erstens im Gegensatz zum christlichen Glauben und wird zweitens nicht umhin kommen, Anneliese Michel als geisteskrank und ihre Helfer als religiöse Fanatiker zu betrachten.

 

 

Persönliche Einschätzung

Es ist unmöglich, einen Kommentar zu diesem Thema zu schreiben, ohne zunächst die persönliche Meinung zu den geschilderten Vorgängen zu präsentieren. Ich stütze mich bei meiner Einschätzung vor allem auf das Urteil des international und über konfessionelle Grenzen hinweg bekannten Experten auf dem Gebiet der Dämonologie, Pater Adolf Rodewyk aus dem Jesuitenorden. Dieser war vor allem als Berater der beiden Priester mit dem Fall befasst und hatte auch eine persönliche Begegnung mit Anneliese Michel.

Am Ende der ersten Verhandlungswoche im Prozess sagte Pater Rodewyk, der als Zeuge geladen war, dass es unmöglich sei, dass jemand am Exorzismus sterbe, und dass er ohne jede Einschränkung von der Besessenheit Anneliese Michels überzeugt sei. Zum Zeitpunkt der Geschehnisse gab es wohl niemanden, der die Situation hätte besser einschätzen können als dieser erfahrene Seelsorger und Autor zweier Standardwerke eines der schwierigsten Bereiche der Theologie.

 

 

 

 

Presseerklärung der Katholischen Kirche

 

In der Presseerklärung zum "Fall Klingenberg", die Kardinal Josef Höffner, der damalige Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz am 28. April 1978 veröffentlichte, bestätigte der höchste Vertreter der katholischen Kirche Deutschlands die grundsätzliche Möglichkeit einer dämonischen Besessenheit, indem er schrieb
"Die katholische Theologie hält an der Existenz des Teufels und dämonischer Mächte fest. Es besteht auch für den Menschen des ausgehenden 20. Jahrhunderts kein Grund, das Wirken Satans und böser Geister in unserer Welt zu leugnen oder die Aussagen darüber als absurd zu empfinden. Die Kirche lehrt in ununterbrochener Tradition, dass Gott unsichtbare Wesen mit Erkenntnis und Willen erschaffen hat. Einige wandten sich aus freier Entscheidung gegen Gott als den Urheber alles Guten und wurden böse. Die Kirche ist ferner der Überzeugung, dass diese bösen Geister auch einen unheilvollen Einfluss auf die Welt und den Menschen auszuüben versuchen. Diese Einwirkung hat viele Formen. Eine dieser Formen kann die Besessenheit sein."

 

 

 

 

Zeitgeist

 

Der einzigartige  rund um den so genannten "Aschaffenburger Exorzistenprozess"  machte auch die Früchte zweier damals aktueller Werke sichtbar: "Abschied vom Teufel" von Herbert Haag und "Der Exorzist" von William Friedkin. Die von den Medien kolportierte öffentliche Meinung rechnete nicht mehr mit der Existenz des Teufels, und die von hohen Vertretern der katholischen Kirche veröffentlichten Schreiben ließen erkennen, dass viele Würdenträger dies höchstens nur mehr in der Theorie taten. Einig waren sich diese beiden Seiten vor allem in der negativen Beurteilung eines durch Jahrhunderte bewährten Rituals der größten Glaubensgemeinschaft der Welt, des Exorzismus der katholischen Kirche.

 

 

 

 

Einige Experten verteidigten aus wissenschaftlicher Sicht die Vorgangsweise der Betroffenen:

 

Einen sehr engagierten diesbezüglichen Versuch tat die Professorin für Anthropologie an der Denison Universität in Ohio, Dr. Felicitas Goodman. Ihr Buch "Anneliese Michel und ihre Dämonen" schildert in beeindruckender Weise den langen Leidensweg der jungen Pädagogikstudentin und ist in spiritueller Hinsicht einwandfrei formuliert. Universitätsprofessor Dr. Ferdinand Holböck hat zu diesem Werk das Vorwort geschrieben. Die Deutung der Ereignisse bleibt dem Leser immer noch frei, für mich persönlich war die Einschätzung Pater Rodewyks nach dem Lesen dieses Buches völlig verständlich.

 

Ihre meines Wissens nach nie widerlegte These zum Tod von Anneliese Michel lautet:

Von Anfang an hätten die neurochemisch wirkenden Mittel den Exorzismus behindert und letztlich dazu geführt, dass die Dämonen nur wenige Augenblicke nach der Austreibung zurückgekommen seien. Von diesem Augenblick an hätten die Medikamente bestimmend gewirkt. Die zuvor namentlich bekannten Dämonen seien immer weniger zu Wort gekommen und nach dem 29. Februar 1976 ganz verstummt. Nachdem ihr das Schlucken unmöglich geworden war, konnte Anneliese schließlich auch das Medikament Tegretal (Carbamazepin) nicht mehr einnehmen. Nun stellten sich nach Frau Goodmans These die Entzugserscheinungen des Medikaments ein, die sich in auffälliger Weise mit den Symptomen Annelieses deckten. Schließlich sei Anneliese an der durch Tegretal verursachten Schädigung der roten Blutkörper gestorben.

Egal wie man zu den Aussagen von Prof. Goodman stehen mag, eines ist unbestritten: Sie hat diesen Fall am genauesten recherchiert. Dazu nahm sie Kontakt mit allen Beteiligten auf. Von der Rechtsanwältin Marianne Thora bekam sie das umfangreiche Prozessmaterial vollständig zugestellt. Pater Arnold Renz steuerte ein lückenloses Informationsmaterial von 51 Tonbandkassetten, die auf Wunsch und Wissen der Betroffenen während der Gebete gemacht wurden, bei. Außerdem bekam Prof. Goodman von Pfarrer Ernst Alt den gesamten Briefverkehr zwischen ihm und Anneliese Michel und zwischen ihm und Bischof Stangl. Vom Freund von Anneliese Michel, Peter und von ihrer Schwester Roswitha erhielt sie persönliche Berichte. Sie besuchte die Eltern und die Priester und war an allen Orten der Ereignisse.

 

Pater Andreas Resch, 1969-2000 Professor für Klinische Psychologie und Paranormologie an der Accademia Alfonsiana, Päpstliche Lateranuniversität Rom erklärte in seinem Beitrag zum Buch von M. Adler "Tod und Teufel in Klingenberg": "Man mag hier ins Feld führen, dass die Unterscheidung geweihter von nicht geweihten Gegenständen, das Sprechen fremder und nicht gelernter Sprachen, Aussagen über völlig unbekannte Begebenheiten aus Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, das Bewegen von Gegenständen ohne erkennbare Verursachung, das Lesen geheimer Gedanken usw. doch greifbare Zeichen wären. Gesetzt den Fall, dass sich derartige und ähnliche Phänomene als echt erwiesen, tragen sie so lange nichts zur Klärung der Frage der Besessenheit durch den Teufel bei, als das Wesen ihrer Verursachung nicht geklärt ist, wobei wiederholt werden muss, dass eine Verursachung durch den Teufel in ihrem Ansatzpunkt außerhalb der wissenschaftlichen Reichweite liegt, ist doch der Teufel, wie schon gesagt, als ein Wesen außerhalb des phänomenalen Raumes gedacht. In diesem Zusammenhang ist es vielleicht auch angebracht, darauf aufmerksam zu machen, dass selbst die Erklärungsversuche genannter außergewöhnlicher Phänomene durch Telepathie, Präkognition, Paragnosie usw. bis heute nicht mehr zu sagen vermögen, als dass es sich bei den genannten Phänomenen um so genannte paranormale Phänomene handelt, also um Phänomene, deren eigentliche Verursachung noch völlig unbekannt ist."

 

 

Der Richter am Amtsgericht Rheda-Wiedenbrück, Dr. Harald Grochtmann, betonte insbesondere, dass die Amtskollegen im Fall Klingenberg in unzulässiger Weise Glaubensfragen beurteilten und stellte die konkreten Konsequenzen für das Gerichtsverfahren präzise dar. Gerade der Aspekt, dass ein staatliches Gericht die Glaubenslehre der katholischen, orthodoxen und evangelischen Kirche massiv in Frage stellte, verlieh diesem Gerichtsfall weitere, bis heute andauernde Brisanz. Er schreibt: "Auch Fischer-Schiedermaier, die im übrigen das Urteil begrüßen, meinen diesbezüglich: 'Freilich nicht nur Theologen, sondern nachdenkliche Christen überhaupt würden sich indessen wundern über so manche weltanschauliche Behauptungen und Belehrungen, welche die Aschaffenburger Richter in ihre Urteilsbegründung meinten einfließen lassen zu müssen.' Sie beziehen sich dann nicht nur auf die Behandlung der Fragen Teufel-Besessenheit, sondern auch auf den oben zitierten Satz im Urteil, wonach das Vertrauen auf eine von außen kommende Wende Ausdruck eines jeglichem Realitätssinn zuwiderlaufenden "Wunderglaubens" gewesen sei (S.55 des Urteils). Tatsächlich ist es unfasslich, wie das Urteil eine mögliche verminderte Schuldfähigkeit aller vier Angeklagten gemäß § 21 StGB darin sehen will, dass sie "unumstößlich an die personale Existenz des Teufels glaubten"(S.44 des Urteils). Die personale Existenz des Teufels ist nicht nur eindeutige Lehre der katholischen Kirche, sondern auch grundsätzlich der orthodoxen und protestantischen Kirchen, wenn es dort auch kein Lehramt mit den gleichen Funktionen wie in Rom gibt. Man kann schlecht allen Christen, die der Glaubenslehre ihrer jeweiligen Kirche ganz folgen, unterstellen, dass sie deswegen möglicherweise vermindert schuldfähig sind."

 

Grundsätzlich hat es mich als fertig ausgebildeten Juristen immer schon verwundert, dass ein Landesgericht hier gerne als allwissende Instanz gesehen wird, die ein für alle mal den verderblichen Aberglauben vernichtet hat, wo doch in vielen anderen Fällen konkrete Urteile äußerst kritisch bewertet und insbesondere auch möglichst rasch vor höheren Gerichten angefochten werden.

 

 

 

Die Frage der Zwangsernährung

Eine der meist gestellten Frage im Fall Klingenberg lautet, warum niemand verhindern konnte, dass Anneliese Michel bis auf 31 Kilogramm Körpergewicht zum Zeitpunkt ihres Todes abmagerte. Sie selbst erklärte öfters, dass sie gerne essen würde, jedoch von den Dämonen daran gehindert würde. Diese Aussagen werden bis heute von manchen als Hinweis auf eine psychische Krankheit gedeutet, die eine Zwangsernährung notwendig gemacht hätte.

Das schwierige Thema der Zwangsernährung war zum damaligen Zeitpunkt aufgrund eines anderen Aufsehen erregenden Todesfalls heftig umstritten: Holger Meins, Mitglied der Rote Armee Fraktion, überlebte im Jahre 1974 in der Justizvollzugsanstalt 57 Tage Hungerstreik. Er wurde zuletzt gegen seinen ausdrücklichen Willen unter Gewaltanwendung ernährt, und es gibt Hinweise darauf, dass die Zwangsernährung durch eine inadäquate Zufuhr von Kalorien seinen Tod beschleunigt hat, statt ihn zu verhindern bzw. so weit als möglich hinauszuzögern. Er wog bei seinem Tode bei einer Größe von 1,86 m 39 Kg.

 

 

 

Entwicklungen in der katholischen Kirche

 

Es ist kaum zu glauben, wie viele Entwicklungen in der katholischen Kirche in den letzten Jahren direkt mit diesem einen Leben und Sterben von Anneliese Michel zu tun haben. Bis hin zum neuen Exorzismusrituale, das auf eine Anregung der deutschen Bischofskonferenz zurückgeht und von vielen erfahrenen Exorzisten (Pater Rufus Pereira, Pater Gabriele Amorth,...) als zum Teil völlig unbrauchbar und "weltfremd" bezeichnet wird. Vor allem wohl deswegen, weil die Verfasser offensichtlich noch nie selbst einen Großen Exorzismus gebetet haben. Fast alle fachkundigen Priester verwenden weiterhin das alte Rituale Romanum von 1614, das durch das Eingreifen von Kardinal Joseph Ratzinger weiterhin erlaubt ist.

Näheres dazu findet man ausführlich im zweiten Buch von Don Amorth "Neue Berichte eines Exorzisten".

 

 

 

 

Viele Informationen

zu Anneliese Michel präsentiert eine private Website, deren Inhalt ich nicht vollständig teile, die aber doch einen Grundeindruck vermitteln kann.

Am 24. November 2003 brachte das Deutsche Fernsehen ARD eine neuerliche Reportage zum Thema, die in unverändert kritischer Weise den "Fall Klingenberg" als ein Beispiel für die noch immer verbreitete "mittelalterliche Einstellung" der katholischen Kirche präsentierte. Ganz ähnlich auch ein Kommentar in der Tageszeitung von André Paris.

 

 

 

 

Interessanter Kommentar

 

Bemerkenswert erscheint mir auch der Kommentar zu einem Buch, das insbesondere den damals verantwortlichen Bischof Josef Stangl scharf kritisierte. Dieser erkrankte in Folge der großen Aufregung um seine Person schwer und verstarb am 8. April 1979. Ein Leser des Buches "Das bricht dem Bischof das Kreuz" von Uwe Wolff schrieb:

"Erstaunlich, dass sich posthum so viele Rezensenten für das Thema interessieren. Offiziell als Phänomen geleugnet ist es seltsam, warum auch der gleichnamige (eigentlich stock-katholische) Kino-Film (drei Jahre vor diesem Fall) so ein Millionenpublikum anzog.
- In den Siebzigern wuchs ich in der Stadt Würzburg auf, über die Krankheitssymptome von Anneliese Michel wurde lange in der Presse und Fernsehen berichtet. Meine Erinnerungen weichen etwas von der Darstellung des Autors ab:
- Wie die meisten Bewohner kam Anneliese M. aus katholischem Elternhaus, studierte Psychologie und Theologie, war ansonsten als modernes Mädchen bekannt. Sie hatte einen Freund, breit gefächerte Interessen etc.
- Jahrelang versuchte die Familie mit Ärzten und Neurologen den - schubartigen - seltsamen Verhaltensweisen von Anneliese M. auf die Spur zu kommen. Ohne Erfolg.
- Selbst wenn man versucht (wie ich) sich dem Thema neutral zu nähern: Es gibt eine solche Fülle von Zeugenaussagen, Tonbandmitschnitten, gefilmte Veränderungen der Umgebung während der Anfälle, was nicht mit der Schulmedizin beantwortet werden konnte. Ein Mädchen spricht plötzlich fließend aramäisch und griechisch; kann die Stimme von mehreren männlichen Personen im Dialog untereinander annehmen. Weiß Details von einem Mord des 15. Jh., die einer späteren historischen Prüfung standhielten ... ? Da versuchten die ratlosen Eltern es mit einer - in Franken keineswegs traditionellen - letzten Karte: einem Gesundbeter der Kirche. Wenn es diesmal hilft, gut. Wenn nicht, noch mehr schaden wird es wohl auch nicht. Die Kirche verweigerte Anfangs die Entsendung eines (ihrer raren) Exorzisten, stimmten dem Antrag der Familie dann aber zu.
- In den Folgemonaten starb Anneliese M. mit 31 Kilo an Unterernährung, da sie jegliche Speise verweigerte. Die alleinige Verantwortung der Kirche ist insofern schon unlogisch, da die rituellen Gebete in wenigen Wochenstunden zelebriert wurden. Ansonsten hatte die Familie weiterhin die Verantwortung. Sie leiteten leider keine intravenöse Zwangsernährung à la Holger Meins in die Wege. Ebenso wenig die vormalig behandelnden Ärzte oder die um den Zustand Annelieses wissenden Bevölkerung der Umgegend.
- Nach ihrem Ableben kam was kommen musste: Die damals - auch regional - stark antireligiöse Presse stürzte sich auf den Fall und lieferte in Richtung Kirche eine einseitige Schuldzuweisung, die auch Leser ungeprüft übernahmen, die den Fall bis dato noch nicht kannten.
- Das Buch ist nur als Ergänzung lesenswert. Es gibt Bücher mit mehr Graustufen zu diesem ungelösten Fall."

 

 

Schlussfolgerungen

 

Ich persönlich bin der Überzeugung, dass die Verantwortlichen der katholischen Kirche im "Fall Klingenberg" korrekt gehandelt haben und der Tod Anneliese Michels weder auf unterlassene Hilfeleistung noch auf den für sie gebeteten Exorzismus zurückzuführen ist. Die lähmende Angst, die viele Bischöfe, Priester und Laien damals ergriff und die bis heute weiter wirkt, muss mit Gottes Hilfe endlich überwunden werden. Die schrecklichen Ereignisse der letzten Jahre in Deutschland, die offensichtlich einen dämonischen Hintergrund haben, rufen unweigerlich die Realität des Teufels in Erinnerung und fordern die Christen aller Konfessionen auf, sich neu diesem Bereich unseres geistlichen Lebens zu stellen.

Der Film "Der Exorzismus der Emily Rose" wird dieses Thema wieder in die breite Diskussion bringen, in einem Internetforum habe ich schon vor einiger Zeit eine recht intensive Diskussion geführt.

 

 

Zuletzt ein kleiner Denkanstoß: 

Man stelle sich vor, in einem Gerichtsverfahren wäre die Frage zu berücksichtigen, ob es  G o t t  gibt, und ob man sich auf ihn verlassen darf. Als Gutachter würden auch hier natürlich nur "neutrale, nüchterne" Psychologen und Psychiater zu Rate gezogen werden, die wohl zu ähnlichen Ergebnissen wie im "Fall Klingenberg" kommen würden.

 

 

 

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